Pro-Palästina-Protestcamp
Die Polizei räumte das Pro-Palästina-Protestcamp auf dem Campus der Universität Wien.
APA/MAX SLOVENCIK

Wien – Die Polizei hat in der Nacht auf Donnerstag das Pro-Palästina-Protestcamp auf dem Campus der Universität Wien geräumt, teils verließen die Demonstranten das Gelände des Alten AKH im Bezirk Alsergrund freiwillig. Das berichteten APA-Reporter an Ort und Stelle. Laut Polizeisprecher Mattias Schuster waren zum Zeitpunkt der Polizeiaktion rund 40 Personen im Camp, die mehrfach aufgefordert wurden, das Areal zu verlassen. Nur ein Teil der Aktivisten sei dem nachgekommen.

Die Polizei räumte daraufhin das Protestcamp nach und nach. Einige Demonstranten ließen sich, pro-palästinensische Parolen skandierend, wegtragen. Drei von ihnen blieben laut Schuster zwecks Identitätsfeststellung zunächst in Polizeigewahrsam. Zuvor hatten die Aktivisten per Mail mitgeteilt, "rund 200 Polizisten" hätten das Camp der Studierenden umstellt und den Protestierenden eine 15-minütige Frist zum Verlassen des Geländes gegeben.

Straßen blockiert

Die Ankündigung der Räumung löste eine Mobilisierung über Soziale Netzwerke aus. Etwa 100 Pro-Palästina-Sympathisanten – darunter Aktivisten aus dem Lager selbst, die ihre Zelte zusammengepackt hatten – versammelten sich in der Folge im Bereich Alser Straße/Spitalgasse und blockierten beide Straßen. Sie schwenkten laut den APA-Reportern palästinensische Fahnen und skandierten Slogans wie "Palestine from the river to the sea", "Free, free Palestine!" und ein gegen die Polizei gerichtetes "Shame on you!".

Menschen blockieren den Verkehr
Protestierenden blockierten den Verkehr.
APA/MAX SLOVENCIK

Viele waren vermummt, etwa mit Schutzmasken. Auch die Polizei stellte Verstöße gegen das Vermummungsverbot fest. Die Stimmung sei laut aber friedlich, berichteten die APA-Reporter. Im Laufe der Nacht zerstreuten sich die Demonstrierenden etwas.

Für die Polizei waren auch Spezialeinheiten wie die Wega, die Diensthundestaffel, die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) und das Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) im Einsatz. Auch eine Polizeidrohne wurde verwendet.

Gegendemonstration

Rund 100 Personen hatten laut Polizeiangaben am Montag im Anschluss an eine "Pro-Palästina"-Demonstration am Campus der Universität Wien am Alten AKH ihre Zelte aufgeschlagen. Die Uni Wien distanzierte sich "entschieden" von den Anliegen der Protestierenden.

Am Mittwochnachmittag hat eine Gegendemonstration gegen das Protestcamp am Gelände des Alten AKH stattgefunden. Mehr als 70 Personen folgten einem Aufruf der Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen und versammelten sich in einem Abstand von wenigen Dutzend Metern vor dem Camp. Auch die Gegendemonstranten bekamen Parolen wie "Free, free Palestine!" oder "Israel is a Terror State" zu hören.

Bedrohung für öffentliche Sicherheit

DSN und LSE hatten die Lage am Campus Altes AKH von Anfang an beobachtet. Zu Beginn sei der Charakter der Versammlung nicht so gewesen, dass man das Protestcamp gleich aufgelöst hätte, erläuterte Polizeisprecher Schuster. Das habe sich geändert, denn man habe eine zunehmende, inhaltliche Radikalisierung festgestellt. Es seien dann unter anderem Parolen, welche die Ziele der militanten Palästinenser-Organisation Hamas verherrlichten, sowie Aufrufe zu einer Intifada (Palästinenser-Aufstand), registriert worden. "Nach der Zusammenschau aller Umstände sowie einer Endeinschätzung der DSN war der Zweck dieser Versammlung nicht mehr mit der österreichischen Rechtslage vereinbar", so Schuster weiter.

Die DSN sei zum Schluss gekommen, dass der wahre Zweck der Versammlung wohl eine Solidarisierung mit den Zielen der Hamas sei und damit nicht mehr vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Zudem sei der Protest auf dem Gelände des Alten AKH als Bedrohung für die öffentliche Sicherheit eingestuft worden. "Priorität ist immer die öffentliche Sicherheit und Gesundheit", betonte Polizeisprecher Schuster. Deshalb hätten die Sicherheitsbehörden die Auflösung der Kundgebung beschlossen. Die Hamas spricht Israel das Existenzrecht ab und ist in der EU als Terrororganisation eingestuft.

ÖH distanziert sich 

Auch die HochschülerInnenschaft (ÖH) an der Uni Wien hatte sich vom Protestcamp distanziert. Zu diesem "Emcampment" hätten unter anderem "ganz klar antisemitische Gruppierungen" wie "Der Funke" oder die Israelboykott-Kampagne BDS aufgerufen. Durch solche Proteste würden sich jüdische Studierende zunehmend unsicherer fühlen, hatte es am Montag geheißen. Nora Hasan, Vorsitzende der ÖH an der Uni Wien, sagte in der Nacht auf Donnerstag zur APA: "Wir müssen einen diskriminierungsfreien Raum für alle stellen. Es darf nicht sein, dass jüdische Studenten nicht in Vorlesungen und Seminare kommen können." Solidarität mit Palästina dürfe sein, "aber ohne Antisemitismus", so die Vertreterin des Verbands Sozialistischer StudentInnen. "Wir arbeiten eng mit der Jüdischen Hochschülerschaft zusammen", betonte sie.

Reaktionen

IKG-Präsident Oskar Deutsch begrüßte die Räumung des Camps. "Die Räumung durch die Polizei war der einzig richtige Schritt angesichts der Terrorverherrlichung und Gewaltaufrufe! Jetzt ist die Justiz am Zug, die Agitateure des Intifada-Camps auch strafrechtlich zu verfolgen", so Deutsch in einer der APA Donnerstag früh übermittelten Stellungnahme. Der Obmann der Wiener ÖVP, Karl Mahrer, sprach in einer Aussendung von einer "klaren Reaktion des Rechtsstaats".

Protest vor Polizeianhaltezentrum

Nach der Räumung des Protestcamps in der Nacht auf Donnerstag haben sich am Vormittag rund 50 Personen zu einer Spontankundgebung beim Polizeianhaltezentrum Roßauer Lände eingefunden. Die Aktivistinnen und Aktivisten forderten die Freilassung von drei Frauen, die bei der Räumung vorläufig festgenommen worden und seither in Polizeigewahrsam waren.

Die drei Frauen waren zwecks Identitätsfeststellung in Gewahrsam gekommen – und weigerten sich weiterhin, ihre Personendaten preiszugeben. Ob sie sich tatsächlich im Anhaltezentrum oder einer anderen Behördeneinrichtung befanden, wurde nicht preisgegeben.

Der Verkehr auf der Lände wurde von der Gruppe immer wieder blockiert. Die Aktivisten würden den Verkehr immer wieder durch Hinsetzen auf die Fahrbahnen blockieren, diese aber auch wieder freigeben, schilderte Polizeisprecher Mattias Schuster. Am Feiertag drohten ohnehin keine großen Staus. Die Polizei war unter anderem mit Bereitschaftseinheit und Einsatzeinheit mit mehreren Dutzend Beamtinnen und Beamten vertreten, um den Ort zu sichern.

Im Lauf des Nachmittags löste sich die Versammlung auf. Die Einsatzkräfte führten bis etwa 14.00 Uhr noch eine Nachsicherung durch, hieß es. Vorfälle habe es bei dem Protest, der gegen 10.00 Uhr begonnen hatte, keine gegeben. (APA, red, 9.5.2024)

Anmerkung: Dieser Podcast wurde vor der Räumung des Camps aufgenommen und liefert Hintergründe zum Protest. (th)