Ältere Frau unterschreibt Dokument.
In den kommenden Jahren gehen geburtenstarke Jahrgänge in Pension. Das führt auch zu einer höheren Anzahl an Unternehmensübergaben.
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Land der Berge, Land der Schenkungen: Österreicherinnen und Österreicher haben im Jahr 2023 Vermögensübertragungen über zehn Milliarden Euro gemeldet, darunter 3,5 Milliarden Euro an Bargeld und Unternehmen im Wert von 6,2 Milliarden Euro. Wie aus Daten des Finanzministeriums hervorgeht, die DER STANDARD erfragt hat, ist das ein eklatanter Anstieg im Vergleich zum Jahr 2022 und der mit Abstand höchste Wert seit mehr als zehn Jahren.

Die Statistik des Ministeriums erfasst Schenkungen, die seit Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer an die Finanzbehörden gemeldet werden müssen. Das betrifft etwa Bargeld, Bankguthaben, Forderungen, Beteiligungen an Unternehmen, Kunstgegenstände oder Yachten. Verschenkte Grundstücke sind in der Statistik dagegen nicht erfasst. Auf sie fällt nach wie vor eine Grunderwerbssteuer von 3,5 Prozent des Grundstückswerts an.

Grundsätzlich müssen alle Schenkungen an die Finanzbehörden gemeldet werden, erklärt Rechtsanwältin Sibylle Novak von CMS. "Ausgenommen von der Meldepflicht sind Schenkungen unter Angehörigen bis zu 50.000 Euro innerhalb eines Jahres." Zwischen Personen, die keine Angehörigen sind, liegt die Grenze bei 15.000 Euro innerhalb von fünf Jahren. Befreit sind zudem Gelegenheitsgeschenke, die weniger als 1000 Euro wert sind.

Mehr Vermögen, ältere Menschen

In den vergangenen zehn Jahren gibt es in der Statistik mitunter starke Schwankungen, im Schnitt ist aber ein kontinuierlicher Anstieg zu beobachten – sowohl beim Gesamtbetrag der Schenkungen als auch bei den Fallzahlen.

Beim Gesamtbetrag spielen Inflation, Wirtschaftswachstum und Vermögenszuwächse eine Rolle. Die Steigerung der Fallzahlen in den vergangenen zehn Jahren ist aus Sicht von Berndt Zinnöcker, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bei BDO, unter anderem auf die Altersstruktur der Bevölkerung zurückzuführen. "Es gibt heutzutage viel mehr, das verteilt werden kann, als in früheren Jahren", sagt Zinnöcker. "Dazu kommt, dass die geburtenstarken Jahrgänge jetzt in ein Alter kommen, in dem sie ihre Unternehmen weitergeben."

Rechtliche Änderungen spürbar

Im Jahr 2023 lag der Gesamtwert der Schenkungen das erste Mal über zehn Milliarden Euro – bis auf einen eklatanten Ausreißer im Jahr 2010 mit 13 Milliarden Euro, der wohl auf Einzel- oder Nachholeffekte zurückzuführen ist. Generell schwankt der Betrag von Jahr zu Jahr recht stark. Ursache dafür können einzelne, besonders große Unternehmen sein. "Wir sehen auch in Daten zu Nachlassverfahren, dass es einen sehr großen Einfluss hat, wenn eine besonders vermögende Person in einem bestimmten Jahr stirbt", erklärt Franziska Disslbacher, Assistenzprofessorin am Department für Sozioökonomie der WU Wien, dem STANDARD.

Abgesehen davon spielen gesetzliche Änderungen eine Rolle. Sie können Schenkungen zu einem gewissen Zeitpunkt mehr oder weniger attraktiv machen. "Wichtig zum Verständnis der Schenkungen ist insbesondere das Erbrecht", sagt Disslbacher. Hier gab es in den letzten zehn Jahren etwa Änderungen bei der Frage, inwieweit Schenkungen auf den Pflichtteil angerechnet werden müssen. Die Reform trat 2017 in Kraft. Auch Änderungen im Stiftungsrecht können sich auf die Anzahl und Höhe der Schenkungen auswirken.

Einfluss der Erbschaftsdebatte?

Zuletzt hat laut dem Steuerberater Zinnöcker die Debatte über die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer für einen Schwung gesorgt. "Wir haben derzeit so viele Vermögensübertragungen wie schon seit Jahren nicht mehr", sagt Zinnöcker. "Bei den Freibeträgen, die im SPÖ-Modell vorgesehen sind, wäre man bei der Übergabe eines durchschnittlichen Familienunternehmens rasch steuerpflichtig."

Laut dem SPÖ-Modell sollen Eigenheime bis zu einer Luxusgrenze von 1,5 Millionen Euro von der Steuer ausgenommen werden. Zusätzlich dazu soll es einen Freibetrag von einer Million Euro geben. Erst wenn dieser Betrag überschritten wird, fällt die Steuer an. Ermäßigungen würde es zudem für Unternehmen geben, die nach der Übergabe fortgeführt werden. Wenn der Betrieb über mindestens fünf Jahre mit der gleichen Mitarbeiterzahl weitergeführt wird, werden 85 Prozent des Betriebsvermögens von der Bemessungsgrundlage ausgenommen. Für die restlichen 15 Prozent soll ebenfalls der Freibetrag von einer Million Euro gelten.

"Viele, die ohnehin wissen, an wen sie ihr Unternehmen übertragen wollen, ziehen die Übergabe jetzt vor, bevor sie im Jahr 2025 mit einer Erbschafts- und Schenkungssteuer aufwachen", sagt Steuerberater Zinnöcker. Einen Hinweis darauf könnte die aktuelle Statistik geben: Zwar ist die Gesamtzahl der Fälle nicht gestiegen, sehr wohl allerdings die Zahl der Übertragung von Unternehmensanteilen und Betrieben. Im Jahr 2022 lag die Gesamtzahl bei 3870, vergangenes Jahr stieg sie auf insgesamt 4319. Auch die betragsmäßigen Zuwächse sind hauptsächlich auf einen Anstieg bei Unternehmensübergaben zurückzuführen. (Jakob Pflügl, 25.4.2024)