In den Top Ten der exotischsten Objekte im All ist der Neutronenstern sicherlich ganz vorne mit dabei. Er teilt seine Herkunft mit dem noch seltsameren Schwarzen Loch: Haben Sterne von mehrfacher Sonnenmasse ihren Brennstoff verbraucht, kollabieren sie im letzten Stadium ihres Todeskampfes zu einem superdichten Himmelskörper mit extremen Eigenschaften. Im Fall eines Neutronensterns ist das in der Regel ein 20 bis 30 Kilometer durchmessendes, ultrakompaktes Objekt.

Exotische Materiezustände

Seine Gravitationskraft ist so hoch, dass hier Materie unübliche Zustände einnimmt. Der Neutronenstern besteht aus kristallinen Eisenatomkernen und, tiefer im Inneren, aus einer supraflüssigen Neutronensuppe. Ein Kubikzentimeter dieser Kernmaterie bringt gut zwei Milliarden Tonnen auf die Waage. Typischerweise rotieren diese Sternenleichen, vor allem junge Exemplare entwickeln dabei ein enorm starkes Magnetfeld.

Mosaikaufnahme des Hubble-Weltraumteleskops zeigt die Starburst-Galaxie Messier 82
Die Mosaikaufnahme des Hubble-Weltraumteleskops zeigt die Starburst-Galaxie Messier 82 (M82) in ihrer ganzen Pracht. In der zentralen Regionen, in der auch der Gammaausbruch GRB 231115A aufblitze, werden Sterne zehnmal schneller geboren als in unserer Milchstraße.
Foto: NASA, ESA and the Hubble Heritage Team (STScI/AURA)

Diesen Neutronenstern-Spezialfall nennt man Magnetar, und er ist erst seit vergleichsweise kurzer Zeit bekannt. Wie Magnetare zu ihren mächtigen Magnetfeldern kommen, ist noch Gegenstand von Diskussionen. Klar ist jedenfalls, dass auf solchen Himmelskörpern enorme Kräfte im Spiel sind. Bebt auf einem Magnetar der Boden (oder das Magnetfeld), wird so viel Energie freigesetzt, wie die Sonne in etwa 10.000 Jahren im gesamten Spektrum abstrahlt – ein weithin sichtbarer, blendend heller Blitz.

Seltenes Aufblitzen

Die sogenannten Flares sind äußerst selten, aber auffällig: Die Ausbrüche, hauptsächlich Gamma- und Röntgenstrahlen, dauern nur wenige Zehntelsekunden und werden auf instabil gewordene Magnetfelder zurückgeführt, die sich explosionsartig umorganisieren. Das Ergebnis sind bisweilen unwahrscheinlich heftige Gammastrahlenausbrüche (GRB).

In den letzten 50 Jahren wurden nur drei solcher Flares von Magnetaren in unserer Galaxie und der nahen Großen Magellanschen Wolke beobachtet. Mit ein Grund dafür ist, dass sich die Quellen der energiereichen Ausbrüche bei den großen Distanzen oft nur schwer bestimmen lassen.

Umso größer war das Entzücken, als den Forschenden kürzlich ein neuer Kandidat für einen solchen Gammablitz ins Netz ging. Am 15. November 2023 verzeichnete das Esa-Weltraumteleskop Integral einen hochenergetischen Ausbruch. Forschende hielten Nachschau und richteten das ESA-Röntgenteleskop XMM-Newton auf der Suche nach einem Nachleuchten auf den Ort der kosmischen Explosion in der zwölf Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie M82; man fand aber nichts.

Der Ort des Ausbruchs wurde im Gammastrahlenbereich, im Röntgenbereich und im optischen Licht beobachtet. Doch bemerkenswerterweise konnte kein übermäßiges Nachleuchten nachgewiesen werden. Das spricht nach Ansicht der Forschenden für einen Magnetar als Ursache.
Grafik: ESA/Integral, ESA/XMM-Newton, INAF/TNG, M. Rigoselli (INAF)

Ausbruch mit magnetischem Ursprung

Ein internationales Forschungsteam um Sandro Mereghetti vom Nationalen Institut für Astrophysik in Mailand (Italien) hat die seither gesammelten Daten analysiert und konnte nun im Fachjournal Nature bestätigen, was bereits vermutet wurde: Der Ausbruch mit der Katalognummer GRB 231115A hatte seinen Ursprung sehr wahrscheinlich in einem Magnetar.

"Uns war sofort klar, dass dies ein besonderer Alarm ist. Gammastrahlenausbrüche kommen von weitentfernten Orten am Himmel, aber dieser Ausbruch kam von einer hellen, nahen Galaxie", meinte Mereghetti begeistert. Binnen weniger Stunden richteten die Forschenden das Röntgenteleskop XMM-Newton der Esa für Folgebeobachtungen auf den Ort des Geschehens.

Keine Kollision

XMM-Newton gewährte jedoch nur Blicke auf das heiße Gas und auf die Sterne der an Sternengeburten reichen Galaxie M82. Im Röntgenlicht war nichts Außergewöhnliches zu erkennen. Dasselbe Ergebnis lieferten bodengestützte optische Teleskope im sichtbaren Licht. Da es weder ein Signal im Röntgenlicht noch im sichtbaren Licht gab und auch keine Gravitationswellen von Detektoren auf der Erde gemessen wurden, schlossen die Forschenden eine Kollision zwischen zwei Neutronensternen als Ursache aus.

künstlerische Darstellung eines Magnetars
Die künstlerische Darstellung eines Magnetars kann nur ganz rudimentär die Realität wiedergeben: Magnetare sind die Objekte mit den stärksten jemals gemessenen Magnetfeldern im Universum.
Illustr.: ESA

Für die Astrophysikerinnen und Astrophysiker deuten die spektralen und zeitlichen Eigenschaften des Ausbruchs und das Fehlen eines Gravitationswellensignals daher sehr stark auf einen Magnetar-Flare hin. GRB 231115A wäre damit die erste sichere Bestätigung eines Magnetar-Flares außerhalb der Milchstraße.

Wahrscheinlich Jünglinge

Starburst-Galaxien wie M82 waren schon früher bekannt dafür, Magnetare hervorzubringen. In diesen Sterneninseln werden massenhaft große neue Sterne geboren. Die meisten von ihnen führen ein turbulentes, aber kurzes Leben, ehe sie zu einem Schwarzen Loch oder eben einem Neutronenstern kollabieren. "Die Entdeckung eines Magnetars in dieser Region bestätigt, dass Magnetare wahrscheinlich junge Neutronensterne sind", sagte Volodymyr Savchenko von der Universität Genf (UNIGE), Co-Autor der Studie.

Das Team will die Suche nach den Magnetaren in anderen extragalaktischen Sternentstehungsgebieten fortsetzen, denn noch ist die Datenlage bezüglich der rätselhaften Objekte dünn: Die Astrophysik beginnt erst langsam zu verstehen, wie oft diese gewaltigen Flares auftreten und was dabei auf den Neutronensternen tatsächlich vor sich geht. (Thomas Bergmayr, 25.4.2024)