Harvey Weinstein
Der mehrfach verurteilte ehemalige FIlmproduzent Harvey Weinstein.
AP/Etienne Laurent

Das höchste Gericht New Yorks hat laut einem Bericht der New York Times am Donnerstag überraschend die Verurteilung des ehemaligen Filmproduzenten Harvey Weinsteins aufgehoben. Er war im Jahr 2020 zu 23 Jahren Haft wegen mehrerer Sexualverbrechen verurteilt worden. Das New Yorker Berufungsgericht stellte fest, dass der Richter, der den Vorsitz im Fall führte, einen Fehler begangen hatte. Demnach erlaubte er der Staatsanwaltschaft, mehrere Frauen als Zeuginnen aufzurufen, die behaupteten, Harvey Weinstein habe sie angegriffen. Deren Anschuldigungen seien jedoch nicht Teil der Anklage gewesen.

Unter Berufung auf diese und andere mutmaßliche Fehler, stellte das Gericht fest, dass Weinstein kein faires Verfahren erhalten hatte. Nun liegt es am Bezirksstaatsanwalt von Manhattan – der bereits im Verfahren gegen den ehemaligen Präsidenten Donald J. Trump involviert ist – zu entscheiden, ob er ein neues Verfahren gegen Weinstein anstrebt. Am Donnerstagmorgen war noch nicht klar, wie sich die Entscheidung auf den derzeit inhaftierten 71-jährigen Weinstein auswirken würde. Schon nach Weinsteins Verurteilung im Jahr 2020 kam es unter Richtern an New Yorks oberstem Gericht zu Debatten über dessen Rechtmäßigkeit.

Die Richter wiesen auf zwei Punkte hin, die sie zur Aufhebung des Urteils veranlassten: die Aussagen von vier Frauen gegen Weinstein, die nichts mit den ihm zur Last gelegten Verbrechen zu tun gehabt hätten. Und die Entscheidung des Richters, den Staatsanwälten zu gestatten, den Produzenten zu nicht angeklagten Vorwürfen zu befragen, die Jahrzehnte zurücklagen.

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs fiel mit vier gegen drei Stimmen. "Der Angeklagte hat das Recht, nur für das angeklagte Verbrechen zur Rechenschaft gezogen zu werden, und daher dürfen Vorwürfe früherer Fehltaten gegen ihn nicht zugelassen werden, nur um seine Neigung zur Kriminalität nachzuweisen", legte Richterin Jenny Rivera schriftlich die Meinung der Mehrheit dar. "Das Gericht verschärfte diesen Fehler, als es entschied, dass der Angeklagte, der keine kriminelle Vorgeschichte hatte, wegen dieser Anschuldigungen sowie zahlreicher Vorwürfe von Fehlverhalten, die den Angeklagten in einem höchst nachteiligen Licht darstellten, ins Kreuzverhör genommen werden könne."

Vorwürfe traten #MeToo-Bewegung los

Arthur Aidala, der Anwalt von Weinstein, sprach gegenüber der New York Times von einem Sieg für Weinstein und jeden Strafverteidiger im Staat New York. Jane Manning, die Leiterin des Women's Equal Justice Project und ehemalige Staatsanwältin für Sexualdelikte spricht von einem "schockierenden und entmutigenden Tag für Überlebende sexueller Übergriffe". Es zeige, wie viel Arbeit noch geleistet werden müsse. Katherine Kendall, eine Schauspielerin und eine der Anklägerinnen Weinsteins, zeigte sich fassungslos. Die Entscheidung sei "eine schreckliche Erinnerung daran, dass Opfer von sexuellen Übergriffen einfach keine Gerechtigkeit bekommen".

Zusätzlich zur Verurteilung im Jahr 2020 wurde Weinstein 2022 in Kalifornien zu 16 Jahren Gefängnis wegen der Vergewaltigung einer Frau in einem Hotel in Beverly Hills verurteilt. Weinstein galt jahrelang als einer der mächtigsten Männer Hollywoods. Zum ersten Mal wurde Weinstein im Jahr 2015 erfolglos wegen sexuellem Fehlverhalten angezeigt.

Nachdem die New York Times im Jahr 2017 Missbrauchsvorwürfe gegen den Produzenten aufgedeckt hatte, meldeten sich fast 100 Frauen mit Berichten über sexuelles Fehlverhalten. Die Vorwürfe gegen ihn traten die weltweite #MeToo-Bewegung los. Die Entscheidung des Berufungsgerichts zeigt, wie schwierig eine Anklage für Betroffene von Sexualverbrechen ist. (Helene Dallinger, 25.4.2024)