Rishi Sunak, Premierminister von Großbritannien
Rishi Sunak, Premierminister von Großbritannien, kann über das Abschneiden seiner Partei nicht glücklich sein.
REUTERS/Chris J Ratcliffe

London – Die Konservativen des britischen Regierungschefs Rishi Sunak haben bei den Kommunalwahlen am Donnerstag eine schwere Niederlage kassiert. Teilergebnissen zufolge büßten die Tories mehr als die Hälfte ihrer bisherigen Gemeinderatssitze ein, während die oppositionelle Labour Party deutlich zulegen konnte. Diese erzielte auch einen Erdrutschsieg bei der Unterhaus-Nachwahl in Blackpool. Labour-Politiker Chris Webb setzte sich mit 59 Prozent der Stimmen durch.

Zwöfte Niederlage in 13. Nachwahl

Damit setzte es bei der 13. Nachwahl der aktuellen Legislaturperiode bereits die zwölfte Niederlage für die Regierungspartei. Die Wahl in Blackpool war notwendig geworden, nachdem der konservative Abgeordnete Scott Benton wegen eines Lobbyingskandals zurückgetreten war. Die Tories bekamen dafür die Rechnung präsentiert. Sie büßten im Vergleich zur vergangenen Wahl 32 Prozentpunkte ein, ihr Kandidat David Jones erreichte nur noch 17,5 Prozent und konnte gerade noch den zweiten Platz vor dem Kandidaten der rechtspopulistischen Reform Party, Mark Butcher, halten, der auf 16,9 Prozent kam.

"Dieser erdbebenartige Sieg in Blackpool South ist das wichtigste Ergebnis heute", sagte Labour-Chef Keir Starmer. "Dies ist die einzige Wahl, bei der die Wähler die Chance hatten, den Konservativen von Rishi Sunak eine direkte Botschaft zu senden, und diese Botschaft ist ein überwältigendes Votum für den Wandel." Der Vorsitzende der Konservativen Partei, Richard Holden, sprach von "einer harten Nacht". "Offensichtlich keine großartigen Ergebnisse", sagte er Times Radio.

Einschätzung Wahlforscher

Nach Einschätzung des Wahlforschers John Curtice steuern die Tories auf eines ihrer schlechtesten Ergebnisse seit 40 Jahren zu. "Bisher verlieren sie im Grunde die Hälfte der Sitze, die sie zu verteidigen versuchen", sagte er Freitagfrüh der BBC. Wenn das so weitergehe, könnten sie am Ende etwa 500 Sitze verlieren. Man könne festhalten, dass die Botschaft der Umfragen aus den vergangenen zwölf Monaten – dass die Konservativen unter Sunak keine entscheidenden Fortschritte beim Versuch gemacht hätten, den Abstand zu Labour zu verringern – bisher bestätigt werde, sagte Curtice. "Die Ergebnisse sind nicht nur schlecht für die Tories und Rishi Sunak, sie sind furchtbar", sagte der Politologe Tim Bale von der Queen Mary University of London am Freitag der Deutschen Presse-Agentur.

29 der 107 Gemeindevertretungen waren Freitagfrüh bereits ausgezählt. Labour hielt bei 274 Sitzen (plus 56), die Konservativen bei 94 (minus 107), die Liberaldemokraten bei 90 (plus zwölf) und die Grünen bei 19 (plus elf). Deutlich auf 53 (plus 28) Sitze zulegen konnten unabhängige Kandidaten.

Sollte sich der Auszählungstrend fortsetzen, könnte es für Premier Sunak politisch ungemütlich werden. Laut Experten könnte er in Bedrängnis geraten, wenn seine Konservativen deutlich mehr als 500 ihrer derzeit knapp 1000 Gemeinderatssitze verlieren.

Die Wahl gilt als wichtiger Stimmungstest vor der Unterhauswahl, die spätestens im Jänner 2025 stattfinden muss. Sunak hat einen Wahltermin im zweiten Halbjahr 2024 als wahrscheinlich bezeichnet, jüngst aber auch einen Termin noch vor dem Sommer nicht ausgeschlossen. Sunak ist bereits der dritte Regierungschef der aktuellen Legislaturperiode, nachdem sowohl der Wahlsieger des Jahres 2020, Boris Johnson, als auch seine Nachfolgerin Liz Truss über Affären gestürzt waren. Die Tories haben eine komfortable Mehrheit im Unterhaus, liegen in landesweiten Umfragen aber hoffnungslos hinter der Labour Party.

Zu denken geben dürfte Sunak auch die Konkurrenz der rechtspopulistischen Partei Reform UK, die ihm seit längerem zusetzt. In Blackpool South landete die einstige Brexit-Partei nur gut 100 Stimmen hinter den Konservativen auf Platz drei. Auch bei den Lokalwahlen setzte Reform UK, einst von Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage gegründet, teilweise beachtliche Resultate und kostete die Konservativen zahlreiche Sitze.

Ergebnis aus London am Samstag erwartet

Die meisten Gemeinden wollten die Ergebnisse im Lauf des Freitags bekanntgeben. Das Ergebnis der Bürgermeisterwahl in London soll erst am Samstag verkündet werden. Dort gilt Amtsinhaber Sadiq Khan (Labour) als klarer Favorit.

In der neu gebildeten Region York and North Yorkshire in Nordengland, in der auch der Wahlkreis von Premier Sunak liegt, führte ebenfalls ein Labour-Politiker in den Umfragen. Die Konservativen hofften aber, die Rathäuser der mittelenglischen Region West Midlands sowie von Tees Valley im Nordosten zu verteidigen.

Gewählt wurden am Donnerstag elf Bürgermeisterposten, mehr als 2500 Gemeinderäte, die 25 Mitglieder der Londoner Stadtversammlung sowie 37 sogenannte Police and Crime Commissioners in England und Wales, ein politisches Amt für die Aufsicht über die lokale Polizeibehörde. In 107 der 317 englischen Gemeinden wurden die politischen Karten neu gemischt.

Als wichtige Themen galten die schwierige Finanzlage der Gemeinden, Schlaglöcher auf Straßen sowie ins Meer und in Flüsse abgeleitete Abwässer. Einer Analyse der Denkfabrik Local Government Information Unit zufolge reagieren etliche Gemeinderäte mit höheren Steuern und Gebühren sowie geringeren sozialen Leistungen auf den drohenden finanziellen Ruin. (APA, 3.5.2024)