fair trade, Hipster, Ototo
Das Entree des neuen Ototo in der Wiener Zieglergasse.
Corvin Cristian

Schon rasch nach dem Betreten des neuen Geschäfts Ototo kommen einem Begriffe wie Hipster, Bobo oder Gutmensch in den Sinn. Aber man täte dem Laden in der Zieglergasse Unrecht, ihn in eine dieser Schubladen zu stecken. Schubladen gibt es hier nämlich noch andere. Doch spulen wir ein wenig zurück.

Johnny Huemer, der an diesem Ort früher sein Taschengeschäft Qwstion führte, schupft nun mit zwei Partnern und einer Partnerin das Geschäft Ototo. Die Partnerin heißt Raluca Simiuc, das Konzept hat ihr Mann Mihai Simiuc vor drei Jahren in Rumänien erfunden und bereits drei Ototo-Filialen in Bukarest eröffnet. Doch was heißt hier eigentlich Geschäft? Man könnte das Ganze als zeitgeistigen und lifestyligen Mix aus Greißlerei und Drogerie des 21. Jahrhunderts bezeichnen. Das 200 Quadratmeter große Lokal, das in sehr ansprechender, reduzierter Optik daherkommt und an einen Supermarkt in Japan erinnert, scheint, was das Angebot betrifft, eine Art Wimmelbuch zu sein.

Erbsenmilch und "Süße Biene"

Feilgeboten werden unter anderem: Babyartikel, Klopapier, Sardinen in topdesignten Verpackungen, Produkte von der St. Charles Apotheke, Füller von Kaweco, ausgewählte Papeteriewaren, Designbücher und Magazine, Katzenfutter, natürlich Kaffee, allerlei Riegel, organische Fruchtgummis, Nüsse namens "Süße Biene" oder "Neptun" (mit Algen), Tee, Honig, Kombucha, Kimchi-Gläser, Nagellacke, unzählige Säfte wie Alpen Tonic aus Salzburg und Wässerchen wie das der Kokosnuss aus Thailand, Bananenchips, Produkte, die aus Krisenregionen wie Afghanistan stammen, natürlich Taschen von Qwstion, Brot vom Öfferl und fertige Gerichte "to go" von Superfood Deli. Freilich dürfen auch Erbsenmilch und Pistaziencreme (zuckerfrei) in Zeiten wie diesen nicht fehlen. Lust auf eine Leberkässemmel sollte einen hier jedenfalls besser nicht beschleichen. Eher auf einen Kaffee und ein Küchlein im Gastrobereich der Location.

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Es braucht ein Weilchen, sich im Produktkosmos des Geschäfts zurechtzufinden.
Corvin Cristian

Die Zielgruppe? Sagen wir, der Laden passt gut in den 7. Bezirk, und es würde einen nicht wundern, wenn er irgendwann Nachwuchs in der Leopoldstadt bekäme. Den Begriff "Denns-Biomarkt für Bobos" können Huemer und Simiuc zwar irgendwie nachvollziehen, man würde das Projekt allerdings lieber anders benamsen. Apropos benamsen: Die Ototo-Macher bevorzugen es, ihre Lieferanten als Partner zu bezeichnen. Das hat auch mit der Namenswahl Ototo zu tun, was auf Japanisch so viel wie "jüngerer Bruder" bedeutet. Und die "Otototer" sehen sich als jüngerer Bruder der Partner. Angestellt sind hier übrigens zwölf Leute.

Alle zusammen verstehen sich als Plattform für Unternehmen mit ganz speziellen Produkten, die hier zu einer ganz eigenen Art des Supermarkts zusammenfinden. Bei Ototo nennt man das lieber "Village Store" oder "Community Store". Ferner bezeichnet Johnny Huemer die Brands als die Stars des Geschäfts, und davon gibt es um die 200. Viele Partner kenne man persönlich, und darauf wird großer Wert gelegt.

Ototo-Mitgründerin Raluca Simiuc spricht von "independent brands", an die man zum Teil sonst in Wien nicht so einfach rankomme. Außerdem seien alle Unternehmen von großen Konzernen unabhängig. Man sieht sich hier auch als analogen Gegenpol im Zeitalter des digitalen Konsums. Da darf eine kleine Erkundungs-Ecke für Kinder nicht fehlen, denn sich durch das Sortiment zu navigieren, könnte schon ein bisschen Zeit beanspruchen. Aber hierher kommt man kaum, um schnell einen Liter Milch zu holen, und sei es Hafermilch. Kurzum, es geht den Machern darum, dass das Einkaufen keine Erledigung, sondern eine bewusste Erfahrung sein soll.

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Auch eine Kaffeepause lässt sich bei Ototo einrichten.
Corvin Cristian

Das Sortiment wird unter dem weiten Mantel von "authentisch, natürlich, nachhaltig, fair, gesund, mit Liebe für Design" angepriesen. Doch damit nicht genug, alles sei mit Sorgfalt für die Menschen und den Planeten erzeugt worden, um echte Werte und Freude in den Alltag zu bringen. Na bumm. Fast überkommt ein schlechtes Gewissen, sollt man je wieder zu einem Billa gehen. Aber nur fast. Jedenfalls wundert es einen nicht, dass Raluca Simiuc aus dem Marketing kommt.

Kleiner ironischer Wink zum Schluss. Einst war an diesem Ort eine der ersten Billa-Filialen Wiens untergebracht. Die Zeiten ändern sich, und das ist in diesem Falle gut so. Wie gesagt, fast zu gut. Last, but not least ein knapper Erfahrungsbericht: Die mitgenommene Dose Katzenfutter würdigte der Kater nach dem Servieren keines Blickes. Aber das kann an der Katze liegen. (Michael Hausenblas, 4.5.2024)